Österreichische Erstaufführung
von Falk Richter
Regie: Rüdiger Pape
Bühne/Kostüme: Ursula N. Müller
Premiere 5. März
Weitere Vorstellungen: 10., 27., 30. März
1., 2. April
jeweils 20.00 Uhr
Falk Richter ist der Chronist der Beschleunigung und Medialisierung unserer Zeit, seine Texte so etwas wie das EKG der Erschütterung unserer Wahrnehmung von uns selbst und von unserer Außenwelt.
ELECTRONIC CITY ist eine Liebesgeschichte, oder vielmehr das, was von einer Liebesgeschichte im Zeitalter des globalisierten Alltags übrigbleibt: Tom ist Executive Manager und für seine Firma weltweit unterwegs, Joy ist Springerin, "Standbykraft" einer weltweiten Supermarktkette und kommt auf internationalen Flughäfen zum Einsatz, auch sie ist global verfügbar. Das Problem dieses Liebespaares ist, daß sie es kaum jemals schaffen, zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu sein, ihr spezielles Problem in dieser Nacht ist, daß Tom den Zahlencode vergessen hat, den er als Passwort für Handy, E-mail-account, Hotelbuchungen, Firmenunterlagen, etc. verwendet, und daß Joy allein an einer Kasse sitzt, an welcher das Lasergerät, das die Warenstrichcodes einliest, defekt ist. Je mehr Tom sich an seinen Zahlencode zu erinnern versucht, desto mehr nähert er sich einem Schwindelanfall, in dem Flughäfen, Hotelzimmer, Geschäftsleute, ja ganze Städte sich überlagern und vermischen, weil sie einander zunehmend gleichen, globale Wirtschaft, globalisierte Ausstattung, globale Musik, globale Sprache. Und je länger Joys Kasse defekt ist, desto näher gerät sie an einen dunklen Abgrund aus Hilflosigkeit und Verzweiflung, denn immer mehr globale Executive Manager, die bei ihr globale Nahrung und globale Männermagazine kaufen wollen, schreien auf sie ein, daß sie ihren Flug versäumen werden und das Call-Center der Supermarktzentrale schweigt.
Wie um seine beiden Akteure zusätzlich zu quälen, hat Richter ELECTRONIC CITY mit einem zusätzlichen Spiegeleffekt versehen, denn Tom und Joy sind die Protagonisten ihres eigenen Films, des Films über ihr eigenes Leben, der von einem omnipräsenten Filmteam inszeniert und gedreht wird. Dieser Zustand der "Selbstfiktionalisierung" entspricht der mehrfachen Entfremdung, in der wir uns im 21. Jahrhundert erleben und in der wir unser Ich behaupten müssen.
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